Alterswohnen am Ufertal

eingeladener Wettbewerb
mit Edda Zickert und Max Ludes

einer von drei ersten Preisen

2019



Die Genossenschaft der 9Bürger verfolgt ein wunderbar idealistisches wie auch zeitgemäßes Projekt. Ältere, aber mitten im Leben stehende Menschen möchten den kommenden Lebensabschnitt gemeinsam verbringen und sich dafür ein maßgeschneidertes Haus bauen lassen.
Wir möchten den Optimismus der 9Bürger aufnehmen und ein Gebäude vorschlagen, welches Innovation (Typologie, Wohnform) und Nachhaltigkeit (architektonische Qualität, Altersgerechtigkeit) aufs Beste verbindet.


Städtebau und Struktur

Die städtebauliche Sorglosigkeit der Umgebung erzeugt zunächst hauptsächlich Resträume.
Um für die Bewohner ein Haus mit einem starken Gemeinschaftsgefühl zu schaffen, muss deshalb das Gebäude für sich allein die Ankunft, die Zirkulation und die Außenräume räumlich fassen und prägen.

Die zukünftigen Bewohner des Hauses haben die Absicht, ihre Einfamilienhäuser zu verlassen und in einer Wohnform zu leben, die ihrer Lebenssituation besser entspricht. Wir vermuten aber, dass die Form eines Wohnheims mit langen Aufzügen, Korridoren, Zimmertüren und limitiertem Außenbezug dies ebenso wenig zu leisten vermag. Die zukünftigen Bewohner stehen mitten im Leben und möchten dieses lediglich mit anderen teilen. Wir schlagen deshalb eine Wohnform vor, die das traditionelle, selbstbestimmte Haus nicht ganz vergisst. Die klassischen Elemente des (gedeckten) Vorplatzes (die bayerische "Gred"), der "Hausbank" und der seit je her halböffentlichen "Stube" waren immer Orte der Gemeinschaft, mit der Familie, mit den Dorfnachbarn oder Besuchern.
Zusammen angeordnet an einer sanft aufwärts führenden Rampe entsteht eine halböffentliche Promenade. Hier überlagern sich die täglichen Wege mit kurzen Begegnungen, dezenten Einblicken und zwanglosem Zusammensitzen. Das Haus kommt völlig ohne Treppenhaus und Korridor aus, der Aufzug sorgt nötigenfalls dafür, dass die geringe Steigung der Rampe nicht erklommen werden muss, sondern bequem von oben herab flaniert werden kann.
Die Anordnung der Einheiten entlang einer aufwärts führenden Rampe entspricht zudem verblüffend passgenau dem vorhandenen Gelände. Ohne große Erdarbeiten schmiegt sich das Gebäude auf den leichten Hang und löst sich erst gegen Ende leicht davon ab, um die höhere Ebene erreichen und darunter in einem offenen und ebenerdigen Parkdeck die Autos abstellen zu können.


Gemeinschaft und Freiraum

Der Hauptaugenmerk bei der Gestaltung der Freianlagen liegt auf dem zentralen Hofraum, von dessen Rampe aus alle Wohnungen erschlossen werden. Am Grundstück angelangt, erreicht man die Wohneinheiten über einen sich durch ein großzügig geöffnetes Kreissegment in den Innenhof schlängelnden Weg. Direkt an diesem Punkt des Eintretens ist der Raum für die Unterbringung diverser Fahr- und Gehhilfen angeordnet. Er ist kombiniert mit dem Waschsalon (dessen soziale Funktion nicht im Keller verkümmern sollte), sodass schon hier ganz von selbst ein belebter Begegnungs- und Aufenthaltsraum entsteht.
Sein Äquivalent am oberen Ende der Promenade sind Pflegebad, Gästezimmer und der große Gemeinschaftsraum. Dieser ist gegen Süden und Westen orientiert und hat den besten Ausblick auf die Silhouette der Altstadt (Festung und Kirche). Ihm ist eine Dachterrasse zugeordnet, um sämtliche Aktivitäten bei passendem Wetter direkt nach draußen verlagern zu können.

Der Hof erhält einen grünen, idyllischen Charakter mit Wildblumenwiese, Sträuchern und kleinen Hausgärten. Sein Zentrum bildet eine Gruppe von Obstbäumen. Einfache Sitz- und Liegemöglichkeiten bilden einen weiteren Treff- und Aufenthaltsort für die Genossenschaftsmitglieder. Kleine befestigte Wege (wassergebundene Decke oder z.T. wenn nötig heller Asphalt) führen an- oder absteigend von den Podesten der Rampe zur Mitte des Hofes.

Auf halber Strecke aufwärts öffnet sich der Ring aus Wohnungen zu einem Durchgang, sodass das Haus mit dem Marienheim und der zukünftig evtl. als Pflegehaus umgenutzten Dorrer-Villa verbunden wird. Die Durchwegung des Hauses bringt eine zusätzliche Belebung mit sich.

Jede Wohnung besitzt an der Außenseite des Hauses eine eigene Terrasse, die als privater Außenraum dient und jeweils bestmöglich zur Sonne orientiert ist. Die bewegte Gebäudekontur und das leicht überstehende Dach gibt diesen einen geschützten Charakter. Die Freiflächen um das Gebäude herum erhalten einen wilderen Charakter als der Hofraum. Gräser, vereinzelte Sträucher und Farne bilden auf der Wildblumenwiese zwanglos Außenbereiche, die den Wohnungen vorgelagert aber nicht scharf abgegrenzt sind.


Nachbarschaft und Zuhause

Der überdeckte Vorplatz der Wohnungen wird mit dem einen Nachbarn geteilt, die Hausbank zum Verweilen und Plauschen mit dem anderen Nachbarn. Die räumlich gegliederte Hoffassade schafft vielfältige Durch- und Einblicke und erzeugt so im Alltag immer wieder beiläufig das Gefühl von Gemeinschaft.

Von der Hofseite erstrecken sich die Wohnungen nach außen, die Kreis-Segmentform weitet den jeweiligen Raum nach außen und lässt viel Tageslicht einfallen.
Schon nach dem Eintreten öffnet sich der Blick durch die ganze Wohnung. Eine großzügige Küchenzeile mündet in einer Sitzbank mit Esstisch. Räumliche Gliederung für die langgestreckten Wohnungen entsteht durch eine Staffelung und Versetzung der nötigen Trennwände für Nassräume und Zimmer. Großzügige Durchblicke entstehen dazwischen diagonal in jeweils mehrere Richtungen und vergrößern gefühlt die Wohnung.
Die eingeschnittenen Terrassen erzeugen im Zusammenspiel mit großzügigen aber geschützten Öffnungen eine gleichmäßig gute Belichtung.

Die 9Bürger können in diesem Haus bis ins hohe Alter komfortabel und hochwertig zusammen leben. Die notwendigen Anforderungen ans altersgerechte Bauen erfordern keine architektonischen Kompromisse. Ganz im Gegenteil: Die spezielle Aufgabe erzeugt ein reizvolles Gebäude, das sich von den Alternativen in der Umgebung abzuheben weiß.


Konstruktion und Ausdruck

Das gesamte Gebäude ist beinahe vollständig aus Holz konstruiert und erhält dadurch eine pavillonhafte Leichtigkeit. Seine anspruchsvolle Geometrie basiert auf wiederholten Einzelelementen und kann, bis auf den kleinen unterkellerten Bereich, auf sparsamen Punkt- bzw. Streifenfundamenten gegründet werden. Das Haus scheint so leicht über dem Gelände zu schweben.
Boden- und Deckenelemente, sowie Wohnungstrennwände bestehen aus Brettsperrholzplatten, die Innenwände aus holzbeplankten Leichtbauwänden.
Einzelne Stützen, sowie Rampen-/Arkadengang und der aufgesetzte Dachstuhl sind in Massivholz geplant. Der Holzbau ist außen wie innen spür- und sichtbar; der Boden der Wohnungen wird als einfacher und robuster Sichtestrich ausgeführt.
Ein aus fein gewelltem Blech bestehender Dach-"Schirm“ schützt das Gebäude vor Wind und Wetter.