Wiedererrichtung der Bauakademie Berlin

offener Wettebwerb
engere Wahl

2018



„Red Cube – White Grid“

1 / Bauwerk

„Wir haben einen Bau ohne tragende Wände vor uns. Es wäre äußerst aufschlussreich, wenn man sich einmal in den Rohbau zurückversetzen könnte: er muss phantastische Züge gehabt haben.“ schreibt Johannes Geist in seiner „Vergegenwärtigung“ über Schinkels Bauakademie. Was Fotos aus den Nachkriegsjahren zeigen, gibt einen ungefähren Eindruck von dem, was den Bau 1836 so revolutionär und avantgardistisch gemacht hatte: Trotz dem privilegierten Standort gegenüber dem barocken Schloss baute Schinkel einen nur wenig geschmückten Industriebau, wie er sie unter anderem in England studiert hatte.
Dieses gewagte und im besten Sinne brutalistische Gebäude kann man in Würdigung seiner damaligen Kraft deshalb heute nicht als gefällige Rekonstruktion wiedererrichten.

Dass der „rote Kasten“, wie er schon von Zeitgenossen gebrandmarkt wurde, in der schon voranschreitenden Rekonstruktion der historischen Stadträume als Volumen seine Rolle spielen soll, mag ein wünschenswertes Ziel sein. Er sollte deshalb in seinen originalen Dimensionen gebaut werden. Die schon mit einigem Aufwand errichtete Musterecke ist der Ursprung und gibt den Takt vor. Allerdings genügt sie als Zeugnis damaliger Bau- und Handwerkskunst genauso wie für die Rekonstruktionsfertigkeiten der Jetztzeit. Der Neubau nimmt ihre Proportionen auf und ergänzt sie um eine Struktur, die dem Rohbau Schinkel nachempfunden ist. Mächtige Pfeiler, weitgespannte Bögen und feine Sprünge im Relief. Die Felder bleiben frei (als großformatige Glasflächen), wie kurzzeitig bei Schinkel, ehe Wandflächen, Fenstergewänder und schmückende Terrakotten für Brüstungen und Gesimse eingesetzt wurden. In der Farbigkeit schließt sich die neue Fassade an die Musterecke an, sie kann ebenfalls in Ziegel oder eingefärbtem Beton errichtet werden.

2 / Raumkonzept

Die Hülle verkörpert die Wertschätzung für die historische Ambition, ein in Form, Konstruktion und Ausdruck neuartiges Gebäude zu errichten und die „tempelartige Konzentration“ (ebenfalls Johannes Geist) des Bildungsbaus. Was aber viel wichtiger und zukunftsträchtiger ist, spielt sich im Inneren ab: Die Nutzung als „Neue Bauakademie“, die sich im internationalen Gefüge von Akademien und Architekturmuseen einordnen will. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, muss eine Raumstruktur errichtet werden, die weit über althergebrachte Lehr- oder Ausstellungsräume hinausgeht. Diese gibt es bereits zur Genüge in den unzähligen Bildungsbauten, Museen und Ausstellungshallen.
Die Möglichkeit, die Bauakademie im Inneren quasi als Ausstellungsstück selbst zu rekonstruieren, gibt es durch die mangelnde Dokumentation in Plan oder Bild oder eine Beschreibung Schinkels nicht.

Die neue Bauakademie besteht im Inneren deshalb zunächst aus einem „White Grid“, einer Matrix, die auf dem Schinkelschen Raster basiert und dieses als Grundlage würdigt. Das Quadratraster war und ist Ausdruck eines zunächst nutzungsoffenen Baus. Genau so wenig wie bei der Ur-Bauakademie von vorne herein klar war, wem und was sie zu dienen hatte, ist es heute absehbar, wer sich an diesem Ort wie präsentieren wird.

Die Lösung ist also eine räumlich wie funktional so offenen Struktur, wie es auf Grundlage der Gegebenheiten nur möglich ist: Ein dreidimensionales Raster aus hellen Betonstützen und –trägern, die in ihren großzügigen Dimensionen unzählige potentielle Räume der Zukunft aufspannen. Als Referenz an den Ursprung der Einrichtung lässt sich der Innenhof wieder ablesen, die Stützen werden wie bei Schinkel als einzelne Säulen, in Kreuz- oder Wandform räumlich wirksam und lassen die ursprünglichen Innenräume nachvollziehen.
Die zu einer Nutzung unabdingbaren Flächen in Form von Böden bzw. Decken und Innenwänden werden je nach Bedarf in diesen White Grid eingefügt.

Einzig das Erdgeschoss und teilweise das Dachgeschoss besitzen einen festen Fußboden, wobei dieser im Erdgeschoss den großflächigen Blick auf die noch vorhandenen Fundamente des Originalbaus freigibt (archäologisches Fenster).
Außerdem werden im Erdgeschoss bzw. eigentlich Hochparterre wie auch schon im 19. Jahrhundert die kommerziellen Funktionen in Form kleinerer bis mittelgroßer Läden angesiedelt, die an den Fassaden liegen und getrennt von außen erschlossen werden. Sie werden von „Schaufenstern“ der Bauakademie ergänzt. Die Bauakademie selbst betritt man über den Eingang in der rekonstruierten Gebäudeecke, die als Adresse und Assoziation funktioniert. Über den Eingangs-/Verwaltungs-/Informationsbereich erreicht man das Innere, den sich wie eine Lichtung im Geflecht öffnenden ehemaligen Innenhof, der als Foyer auch gastronomisch bespielt und für Veranstaltungen genutzt werden kann.

Die beiden großzügigen Obergeschosse stellen das großzügige Volumen für die noch genauer zu definierenden Ausstellungs-, Veranstaltungs- und Werkstatträume zur Verfügung, die wie beschrieben keine dauerhaft unveränderliche Form besitzen.
Im Dachgeschoss können, soweit dies erforderlich ist, kleinteiligere Funktionen, wie Büro-,Verwaltungs- und Archivräume untergebracht werden. Ebenso können dort Stipendiaten untergebracht werden.
Im Untergeschoss werden die Fundamenten von 1832 archäologisch freigelegt. Im Bereich des Untergeschosses des ehemaligen DDR-Außenministeriums werden Technikräume und die Lagerflächen für die Ausbauteile (Deckenelemente, Treppen, usw.) eingerichtet.

3 / Nutzungskonzept

Das programmatische Ziel des beschriebenen Konstrukts ist eine nicht einmalig festgeschriebene Ausstellungs- und Veranstaltungsarchitektur. Diese ist nicht Zweck allein, vielmehr ist sie die Grundlage und Herausforderung allen zukünftigen Geschehens im Haus: Die Betreiber, wie auch immer sie sich letztendlich zusammensetzen werden, bündeln ihre Mittel und loben jährlich einen Wettbewerb aus, in dem die räumliche und programmatische Bespielung der Struktur zur Diskussion gestellt werden. Dieses Konzept, dass bei den Biennalen in Venedig oder dem alljährlichen Wettbewerb des New Yorker MoMA PS1 für seinen Außenbereich höchst erfolgreich praktiziert wird, birgt großes Potential in sich. Zum einen steigt die Attraktivität durch die immer wieder neu bearbeit- und erfahrbaren Räumlichkeiten für Kuratoren und Besucher um ein vielfaches. Zum Anderen bringt der Dialog von Inhalt und Form einen Mehrwert hervor, der gar nicht hoch genug einzuschätzen ist. Ein lebendiger Diskurs lebt von der Freiheit und Flexibilität, die er sowohl ideell als auch physisch bereitgestellt bekommt.
Und selbst wenn das ursprüngliche Gebäude Bauakademie wieder-erlebbar gemacht werden sollte, steht der Rohbau dafür im Prinzip bereit und macht vielfältige Auseinandersetzungen möglich. De- und Rekonstruktionen mit dem Schinkel-Bau können in Ausstellungsarchitektur, medial-immaterieller oder auch performativer Weise erarbeitet werden.

Die sich alljährlich selbst neu (er-)findende und erbauende Bauakademie wird immer zeitgemäß und frisch in ihrem Denken und somit ein internationaler Referenz- und Anziehungspunkt sein. Sie wird der von Max Taut seinerzeit geforderte „Denkstein“ sein und das Erbe Schinkels in würdiger Weise annehmen und fortführen.